Leistung

Auf Basis der Soft- und Hardwareprodukte der Mitglieder entsteht seit dem Jahr 2014 eine einzigartige Industrie 4.0-Evaluierungsumgebung in der Fabrik von Limtronik in Limburg an der Lahn: die Smart Electronic Factory. Mit der Etablierung dieses Projekts gehen die einzelnen Unternehmen weit über bisherige Demonstrations- und Forschungsplattformen der vierten industriellen Revolution hinaus.

Die Software- und Hardwarekomponenten der iTAC – die iTAC.MES.Suite und die iTAC.smart.Devices – wurden bereits in primäre Fertigungsprozesse von Limtronik integriert. Mithilfe der stetigen Analyse von Qualitäts-, Prozess- und Maschinendaten kann künftig eine automatische Fehlerursachenerkennung durchgeführt werden. Über hiermit verknüpfte Mechanismen der Prozessverriegelung soll ein intelligenter Big Data Analytics-Regelkreis entstehen, der den Fehlleistungsaufwand minimiert.

Die Limtronik GmbH erfasst und analysiert bereits heute autark den primären Fertigungsfortschritt sowie die relevanten Prozess- und Qualitätsdaten. Auf den Gesamtprozess lässt dies allerdings nur eingeschränkte Rückschlüsse zu, denn Korrelationen zwischen den erfassten Datenbeständen der einzelnen Fertigungsprozesse können derzeit noch nicht festgestellt werden.

Die Chancen der Smart Electronic Factory bestehen nun vor allem darin, dass mithilfe leistungsfähiger Korrelationsanalysen ein automatischer Rückschluss auf die prozessbezogene Fehlerursache erfolgen kann. Durch die erstmalige Verknüpfung strukturierter und unstrukturierter Daten hinsichtlich Fehlleistungskosten ergeben sich für die Non Conformance-Prognose neue Analysemöglichkeiten, die ein erhebliches Potenzial erkennen lassen.

Die über Jahrzehnte gepflegten Fehlerursachenkataloge werden mithilfe einer modernen Big Data Analytics-Plattform anhand von Qualitäts-, Produkt- und Prozessdaten aus dem MES überprüft, um so eine Basis für entsprechende Maßnahmen zu schaffen.

Damit eine durchgehende und nachhaltige aktive Qualitätsregelung und Produktionssteuerung gewährleistet werden kann, sucht die Software nach allen Fehlern, sowohl innerhalb der vorgegebenen Toleranzen als auch außerhalb. Somit können künftige Industrie 4.0-taugliche IT-Systeme Fehler nicht nur erfassen und über Qualitätsberichte dokumentieren, sondern bereits bei der Entstehung verhindern. Dadurch wiederum können zum einen die Fehlleistungskosten erheblich minimiert werden, zum anderen profitieren die Unternehmen von einer erheblichen Steigerung der Ausbringung gemäß den vorgegebenen Vorgaben bei steigender Varianz.

Ein Ziel des Evaluierungsprojekts ist es, das eine automatische Fehlerursachenanalyse die ineffizienten Prozesse lokalisiert, um effektive Lösungsvorschläge zu ermitteln. Diese werden mit den jahrzehntelangen Erfahrungen der Prozessingenieure abgeglichen, um sich nicht auf Hypothesen einer Software zu verlassen. Mensch und Maschine arbeiten somit Hand in Hand an der Optimierung der Produktqualität zur Zero PPM Factory.

Im Endausbau zur Verwirklichung der Industrie 4.0 steht die selbstlernende Maschine, die unter klar definierten Bedingungen Fehlerursachen identifiziert und geeignete Maßnahmen zur Fehlervermeidung definiert bzw. Meldungen an den zuständigen Operator verschickt. Dies folgt dem Gedanken der cyber-physischen Systeme (CPS), die durch die Kombination von geeigneten Softwaremodellen und physischen Maschinenelementen in gewissen Grenzen eine autarke Aktion der Produktionsmaschinen erlauben, mit dem Ziel der Prozessoptimierung und Fehlervermeidung. Moderne Techniken der Datenanalyse, die als Basis auf bereits erfasste Informationen über Produkt-, Prozess-, Qualitäts- und Umgebungsdaten anknüpfen können, ermöglichen dies. Mit der bidirektionalen Kopplung des vorhandenen ERP-Systems sowie dem Fertigungsequipment wird eine durchgängige vertikale Integration realisiert, die zudem die vollständige Wertschöpfungskette abdeckt.

Ein weiteres Kernelement der Smart Electronic Factory ist die Traceability – ebenfalls ein Eckpfeiler einer jeden Smart Factory. Viele Bereiche der Elektronikfertigung können durch folgende Regel charakterisiert werden: Es gilt, Produkte innerhalb kürzester Zeit auf hohem Qualitätsniveau unter optimaler Auslastung der Betriebsmittel zu fertigen.

Demgemäß wurden bereits ausgedehnte Traceability-Funktionalitäten für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit des Produkts integriert. Vom Rohmaterial bis zum Fertigerzeugnis wird jede einzelne Komponente eines Produkts über laserbeschriftete Data-Matrix-Codes oder Barcode-Etiketten lückenlos verfolgt sowie stetig überwacht. Somit ist man bereits heute in der Lage, jedes Einzelprodukt, Rohmaterialgebinde, Betriebsmittel u. Ä. durch die gesamte Prozesskette zurückzuverfolgen, einschließlich der Prozess- und Maschinenparameter, die bei der Verarbeitung zur Anwendung kamen.

Auch Limtronik wird den Kunden in Zukunft die Option einer horizontalen Integration bieten können. Dadurch kann bei Feldausfällen oder im Servicefall anhand der Seriennummer eines Produkts festgestellt werden, welcher Fehler, bedingt durch welche Ursache, wo in der Fertigung aufgetreten ist. Dem Kunden kann somit eine lückenlose Rückverfolgbarkeit gewährleistet werden. Zur Realisierung eines cyber-physischen Elektronikproduktionssystems ist ein auf die Losfertigung 1 getrimmtes Traceability-System folglich eine unabkömmliche Voraussetzung.

Die verschiedenen Anlagenmodule, Scanner, Sensoren etc. von Limtronik werden über Devices und standardisierte Anlagenschnittstellen angekoppelt. Dies löst unter anderem das Schnittstellenproblem, mit dem die Elektronikindustrie in der täglichen Praxis zu kämpfen hat. Die Prozess- und Maschinendaten der einzelnen Anlagenmodule werden über Messwerte von prozessbezogenen Sensoren zur Messung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit etc. ergänzt. Die Sensordaten werden über ein Sensor-Device erfasst und den Mechanismen der Fehlerursachenanalyse zugeführt. Gemäß Schichtkalender und den einsatzfähigen Betriebsmitteln übernimmt ein APS-Service die Feinplanung von Aufträgen unter Berücksichtigung verschiedener Constraints, beispielsweise Maschinen- und Materialverfügbarkeit oder geplante Produktion. Die Feinplanung basiert auf einem ganzheitlich integrierten Modell mit dem MES, verwendet die aktuellen (online) MES-Daten und kann damit in nahezu Echtzeit auf Veränderungen in der Fertigung reagieren.

Die Organisation autonomer ad-hoc-Vernetzungen zwischen einzelnen Anlagen bedarf jedoch herstellerunabhängiger Kommunikationsstandards und stellt die Initiative hierbei vor eine besondere Herausforderung, die nur mit Unterstützung der einzelnen Anlagenhersteller gelöst werden kann. OPC UA fungiert im Industrie 4.0-Kontext als ein M2M-Kommunikations­protokoll. Allerdings gilt es nun zu analysieren, ob und in welchem Umfang dieser bzw. weitere Standards in die Elektronikfertigung eingeflochten werden können.

Die Smart Electronic Factory koordiniert die gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Mitglieder. Bestehende Forschungsinteressen werden identifiziert, die Möglichkeiten zur Unterstützung der Vorhaben durch Fördermittel auf nationaler und internationaler Ebene geprüft. Alle Aktivitäten werden hierbei durch geeignete Konsortien aus Firmen der Mitglieder sowie der unterstützenden Hochschulen begleitet.

Als Evaluierungsplattform in einer real produzierenden Umgebung bietet die Smart Electronic Factory den Studierenden aller beteiligten Hochschulen zahlreiche aussichtsreiche Optionen für Studien- und Facharbeiten. Ein wesentliches Ziel ist es hierbei, dass Forschende und Anwender gemeinsam Lösungen lokalisieren, die in der diskreten Fertigung eine Realisierung der Industrie 4.0-Anforderungen ermöglichen.